Aktuelles Handels- und Gesellschaftsrecht

Corona: Entschädigungsansprüche wegen Betriebsschließung anmelden

Entschädigungsansprüche müssen jetzt gesichert werden!

Das Ergebnis vorweg:

Wir gelangen rechtlich zu dem Ergebnis, dass für die aufgrund der Pandemie angeordneten Betriebsschließungen staatliche Entschädigungen zu zahlen sind. Dabei geht es um den gesamten durch das Tätigkeitsverbot entstandenen Schaden, der individuell für jeden Betrieb/jedes Geschäft zu berechnen ist. Wir haben bereits damit begonnen, derartige Ansprüche bei den zuständigen Behörden anzumelden.

Zur Klarheit: Wir sprechen hier nicht von den staatlichen Sofortprogrammen (also nicht von den Krediten und einmaligen Zuschüssen), sondern über eine darüberhinausgehende gesetzliche Entschädigung!

Wir empfehlen jedem von der Schließung betroffenen Geschäftsinhaber, seinen erlittenen Schaden individuell zu berechnen und sodann fristgerecht durch unsere Kanzlei bei der zuständigen Behörde anmelden zu lassen. Nur so können evtl. Rechtsverluste verhindert werden.

Sofern Sie über eine betriebliche Rechtsschutzversichperung verfügen, entstehen Ihnen in der Regel keine Kosten. Aber auch ohne Rechtsschutzversicherung sollten Sie sich an uns wenden. Die Gebühren für die Anmeldung sind nicht hoch und sollten nicht der Grund sein, die Ansprüche nicht zu sichern.

HINWEIS: Die Ansprüche müssen innerhalb von 12 Monaten nach Einstellung der Tätigkeit (also ab Schließung des Geschäftsbetriebs) angemeldet werden - folglich bis spätestens 16. März 2021. Diese Frist ist zwingend einzuhalten. Nehmen Sie daher umgehend Kontakt zu uns auf. Gern erläutern wir Ihnen die - durchaus komplexen - rechtlichen Hintergründe im persönlichen Gespräch noch genauer.

 

Verkürzt dargestellt: Worum geht es?

Neben vielen Fragen rund um die Schließung von Betrieben rückt nun vor allem das Thema der Entschädigung der Unternehmer in den Vordergrund, die von einer Betriebsschließung betroffen sind.

Dahingehende behördliche Maßnahmen wurden auf Grundlage der §§ 28 ff. Infektionsschutzgesetz (IfSG) getroffen. Die Eingriffsermächtigung des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG ist sehr weit gefasst und erlaubt der zuständigen Behörde die Anordnung von notwendigen Schutzmaßnahmen. Adressaten dieser Maßnahmen sind laut dem Gesetzestext zuvorderst Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige und Ausscheider.  Jedoch können auch andere Personen, von denen selbst keine Gefahr ausgeht, von den Maßnahmen betroffen werden. Der komplette Lockdown jedoch ist vom Gesetzestext nicht gedeckt, da der damalige Gesetzgeber an eine Pandemie mit der Folge eines Lockdowns nicht gerechnet hat. Aufgrund dieser Regelungslücke der §§ 28 ff. IfSG erfolgten die aktuellen Maßnahmen in analoger Anwendung der §§ 28 ff. IfSG. Dies ist auch nicht zu beanstanden.

Das IfSG enthält jedoch auch ausgleichende Regelungen, wonach Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige und Ausscheider, denen aufgrund eines Verwaltungsaktes oder einer Allgemeinverfügung verboten ist, ihrer Erwerbstätigkeit nachzugehen und die deshalb einen Verdienstausfall erleiden, eine Entschädigung zusteht.

Wenn jedoch - wie aktuell - sowohl Kranke als auch Gesunde gleichermaßen von den behördlichen Verboten betroffen sind, so muss dies auch bei der Entschädigung Berücksichtigung finden. Dem Gesetzestext nach würde einem erkrankten Ladeninhaber, der sein Geschäft schließen musste, eine Entschädigung zustehen. Dem gesunden Ladeninhaber, der ebenfalls sein Geschäft schließen musste, jedoch nicht. Dieses Ergebnis ist unserer Ansicht nach nicht haltbar, da dies ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundatz nach Art. 3 Grundgesetz darstellt. Die gesetzliche Entschädigungsnorm muss also eine entsprechende Erweiterung auf die gesunden Betroffenen erfahren.

Überwiegend aber wird bisher vertreten, dass finanzielle Nachteile wegen Schließungen ganzer Betriebe oder Unternehmen nicht darunterfallen. Diese Rechtsauffassung wird jedoch zumeist von staatlichen Stellen vertreten und ist angesichts der Situation wenig überraschend.

Nach ausführlicher Befassung mit dem Infektionsschutzgesetz und den derzeitigen Umständen vertreten wir konsequent die Auffassung, dass auch bei staatlich angeordneten (pauschalen) Betriebsschließungen eine Entschädigung zu zahlen ist.

 

Anspruch aus § 56 IfSG

Die maßgebliche Anwendungspraxis für die Entschädigungsregelung des § 56 IfSG ist seit der AIDS-Krise in den 1980-er Jahren eher rudimentär angewendet worden. Zur Anwendung kam die Vorschrift bislang, wenn gegen Einzelpersonen – zumeist Ärzte, die sich angesteckt hatten – Tätigkeitsverbote ausgesprochen wurden, die daraufhin ihren Beruf nicht mehr ausüben konnten.

  • 56 Abs. 1 Sätze 1 und 2 IfSG begründet Entschädigungsansprüche zugunsten von Störern, nicht aber im Hinblick auf außenstehende Dritte, von denen selbst keine Gesundheitsgefahren ausgehen. Einschlägig ist die Norm daher in erster Linie für Personen, die Träger von Krankheitserregern sind. Diese müssen Entschädigungsanträge binnen drei Monaten stellen (zu Einzelheiten § 56 Abs. 11 Satz 1 IfSG). Auf andere – auch juristische – Personen könnte die Vorschrift entsprechend anwendbar sein, wenn diese als sog. Zustandsstörer einzustufen sind, von denen eine Gefahr ausgeht, oder wenn § 56 IfSG auf Nichtstörer und auch auf juristische Personen analog anwendbar wäre. Beides erscheint wegen der Lückenhaftigkeit der Entschädigungsregelungen des Infektionsschutzgesetzes aus unserer Sicht als wahrscheinlich.

Anders als für Tätigkeitsverbote gibt es für Betriebsschließungen keine Regelungen im IfSG. Die Frage ist daher, ob für Betriebsschließungen nicht nach dem Sinn und Zweck des § 56 IfSG dasselbe gelten muss, wie für (individuelle) Tätigkeitsverbote. Der Wortlaut der Vorschrift des § 56 IfSG erwähnt wörtlich zwar nicht den Fall von Betriebsschließungen. Da aber § 56 IfSG die Folgen eines Tätigkeitsverbots regelt, muss es grundsätzlich möglich sein, das verankerte Tätigkeitsverbot analog auch auf Betriebsschließungen anzuwenden. Dies schon aus der Logik, da eine Betriebsschließung zumeist einem Tätigkeitsverbot gleichkommt.

Auch der ehemalige Bundesverfassungsrichter Hans-Jürgen Papier hat sich kürzlich – sicherlich nicht unüberlegt – explizit für “eine Verankerung von Ausgleichsregelungen im Infektionsschutzgesetz” ausgesprochen.

Selbstverständlich wäre eine Präzisierung oder Ergänzung der Vorschrift durch den Gesetzgeber nunmehr – für die Zukunft – sinnvoll. Dies jedoch kommt für die derzeit betroffen Unternehmen, Betriebe und Einzelselbständige zu spät, weshalb § 56 IfSG zugunsten der betroffenen Unternehmer zunächst analog angewendet werden muss.

Sollten sich die Maßnahmen später sogar als rechtswidrig herausstellen, wird erst recht eine Entschädigung fällig.

 

Anspruch aus § 65 IfSG

Darüber hinaus enthält § 65 Abs. 1 Satz 1 IfSG eine Entschädigungsregelung, die sich aber allein auf Anordnungen nach §§ 16, 17 IfSG bezieht. Diese Bestimmungen ermöglichen Maßnahmen zur Verhütung übertragbarer Krankheiten, nicht aber – wie § 28 IfSG – zu deren Bekämpfung. Ein Entschädigungsanspruch kann daher dann auf § 65 Abs. 1 Satz 1 IfSG gestützt werden, wenn die zuständige Behörde sich ihrerseits auf § 16 oder § 17 IfSG als Ermächtigungsgrundlage beruft oder wenn § 65 IfSG erweiternd auszulegen ist.

 

Anspruch aus den allgemeinen polizei- und ordnungsrechtlichen Vorschriften der Länder

Da das Infektionsschutzrecht als besonderes Gefahrenabwehrrecht qualifiziert wird, kann ergänzend auf die allgemeinen polizei- und ordnungsrechtlichen Vorschriften zurückgegriffen werden. Insbesondere sind die Entschädigungsregelungen des Infektionsschutzgesetzes rechtlich nicht abschließend (vgl. Bundestags-Drucksache 3/1888, Seite 27). Die danach anwendbaren Vorschriften der verschiedenen Bundesländer (in Hamburg etwa § 10 Abs. 3 des Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung [SOG HH]) enthalten Entschädigungsregelungen zugunsten von Nichtstörern. Wird ein Nichtstörer zur Abwehr einer Gefahr herangezogen, so ist ihm auf Antrag eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten (vgl. für Hamburg § 10 Abs. 3 Satz 1 SOG HH). Der Anspruch besteht nur dann nicht, wenn der Person zugemutet werden kann, den Nachteil selbst zu tragen (§ 10 Abs. 3 Satz 2 SOG HH). Es spricht vieles dafür, dass die in Rede stehenden Regelungen anwendbar sind, soweit Nichtstörer Adressaten infektionsschutzbehördlicher Anordnungen sind. Dies dürfte zumindest im Falle einer wirtschaftlichen Existenzgefährdung auch dann gelten, wenn es an dem üblicherweise vorausgesetzten Sonderopfer des Betroffenen fehlt.

 

Generell gilt, dass grundsätzlich weder die Entschädigungsansprüche nach dem Infektionsschutzgesetz noch diejenigen nach dem allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht eine Anfechtung der belastenden Maßnahme voraussetzen. Der Betroffene kann einen Entschädigungsanspruch also prinzipiell unabhängig davon verlangen, ob er sich durch Widerspruch, Anfechtungsklage oder Normenkontrollklage gegen die ihn belastende Maßnahme gewehrt hat. Etwas anderes könnte angesichts des sog. Vorrangs des Primärrechtsschutzes allerdings dann gelten, wenn sich die Verbotsanordnung als rechtswidrig erweisen sollte. In diesem Fall könnten Gerichte den Standpunkt einnehmen, dass Entschädigung nur derjenige verlangen kann, der sich auch gegen das ihn betreffende Verbot gewehrt hat.

 

Frist

Der Antrag auf Entschädigung ist innerhalb einer Frist von zwölf Monaten nach Einstellung der verbotenen Tätigkeit bei der zuständigen Behörde zu stellen. Handeln Sie daher schnell und kontaktieren Sie uns.

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